— Eine beschriebene Postkarte, 27. März, 1942

Eine Karte an die Eltern, aber keine Feldpost. Es scheint nur um Alltägliches zu gehen, der Krieg wird vielleicht gar nicht erwähnt. Zum Zeitpunkt des Schreibens waren sich einige deutsche Soldaten schon bewusst, wie kolossal der Fehler war, die Sowjetunion anzugreifen. Ein Großteil der Bevölkerung war im Frühling 1942 vermutlich noch zuversichtig, dass die deutsche Armee, die so beeindruckend rasch Frankreich besiegt hatte, noch irgendwie einen siegreichen Frieden erringen würde…

Der Angriff auf Stalingrad würde erst im Sommer beginnen, und die Einkesselung erst im November erfolgen. Es waren noch etwa 10 Monate, bis die deutsche Bevölkerung von der katastrophalen Niederlage in Stalingrad lernen würde.

Wenn man sich diesen Zusammenhang bewusst macht, ist so einen Schreiben an die Eltern interessanter, auch wenn der Text es vielleicht nicht ist.

***UPDATE: Hier der Text entziffert —

Am 27. März 1942

Liebe Eltern! Gestern erhielt ich Mamas Brief vom 24. Das war ja ein sehr ausführlicher Wochenbericht, liebe Muttel. Über Deine Besuche habe auch ich mich gefreut, haben sie dich doch wieder etwas auf andere Gedanken gebracht. Meine Karten an die Leutchen haben deinen Besuch so zusagen schon avisiert gehabt. Daß Ihr beide beim Lothar wart, freut mich besonders.

Gestern waren wir in Stettin zum Karabinerschießen, da überraschten uns schon die grauen Weidenkätzchen in den Villengärten. Auch ist es in der Vogelwelt schon bunter geworden. Von großen Vögeln sieht man hier nur viele Wildgänse. Rehe kommen zuweilen auf die überschwemmten u. zum Teil noch vereisten Oderwiesen (unsere Maßgegend). Ein friedliches Bild zwischen *Vierlingen und Sperrballons. Die Anni schrieb mir heut, bei ihr im Garten kommen schon die Schneeglöckchen heraus. Auch hier wird der Winterroggen wohl bald grün werden, die Felder sind schon völlig eis- und schneefrei. Liebe Eltern! Wenn Ihr einen kleinen Osterspaziergang durch den Südpark macht wird wohl schon der Goldregen blühen und die Weiden sprießen. Ich werde dann in Gedanken bei Euch sein, die Wege kenne ich ja alle. – Liebe Muttel! Das Geld brauche ich hier nicht, das zahl ich auf mein Postsparkassenbuch ein. Morgen werde ich wohl einen Brief vom Vatel erhalten. Dann schreib ich Euch wieder. Seid herzlichst gegrüßt und geküßt von Eurem Herbert.

[— entziffert von Sybille Nh und Chris Zwarg]

*Er meint mit Vierlingen vermutlich die 2-cm-Flak-Vierling, die auch als verheerende Waffe gegen Infanterie eingesetzt wurde.

https://nimmer.so/sqGEB

————————————–
Folge Nimmerso auf Facebook! Fotos von früher erstmals online zugänglich!

#historisch #historie #Vergangenheit #retro #alteFotos #altesFoto #postkarte #damals #Geschichte #kultur #sammlung #zeitreise #Spurensuche






Source

5 Kommentare

  1. Der Text, den Herbert an seine Eltern schrieb, ist voller Liebe zu seinen Eltern, zur Natur und seiner Heimat. Seine Mutter nennt er, wie in der Dresdner Region üblich „Muttel“. Er berichtet von Schießübungen (Karabinerschießen) in Stettin und begleitet seine Eltern in Gedanken beim bevorstehenden Osterspaziergang durch den Südpark in dem der Goldregen blühen wird. Die besonders innige Beziehung zu seinen Eltern zeigt sich auch in der Verabschiedung „ seid herzlich gegrüßt und geküßt von Eurem Herbert.“

  2. Leider kann ich das nicht lesen.

  3. Mich wundert, dass die Karte nicht adressiert ist. Sie wurde vielleicht im couvert versendet, was für diese Zeit sehr untypisch ist oder lag in einem Paket bei, es gibt aber keinen Hinweis auf den Inhalt eines Pakets. Meistens wurde in so einem fall über kuchen, gestrickte socken und ein wärmendes leibchen etc berichtet und das Paket kam dann auch von zuhause, nicht andersrum. Interessant. 🙃

  4. Am 27. März 1942
    Liebe Eltern! Gestern erhielt ich Mamas Brief vom 24. Das war ja ein sehr ausführlicher Wochenbericht, liebe Muttel. Über Deine Besuche habe auch ich mich gefreut, haben sie dich doch wieder etwas auf andere Gedanken gebracht. Meine Karten an die Leutchen haben deinen Besuch so zusagen schon avisiert gehabt. Daß Ihr beide beim Lothar wart, freut mich besonders.
    Gestern waren wir in Stettin zum Karabinerschießen, da überraschten uns schon die grauen Weidenkätzchen in den Villengärten. Auch ist es in der Vogelwelt schon bunter geworden. Von großen Vögeln sieht man hier nur viele Wildgänse. Rehe kommen zuweilen auf die überschwemmten u. zum Teil noch vereisten Oderwiesen (unsere Maßgegend). Ein friedliches Bild zwischen Vierlingen und Sperrballons. Die Anni schrieb mir heut, bei ihr im Garten kommen schon die Schneeglöckchen heraus. Auch hier wird der Winterroggen wohl bald grün werden, die Felder sind schon völlig eis- und schneefrei. Liebe Eltern! Wenn Ihr einen kleinen Osterspaziergang durch den Südpark macht wird wohl schon der Goldregen blühen und die Weiden sprießen. Ich werde dann in Gedanken bei Euch sein, die Wege kenne ich ja alle. – Liebe Muttel! Das Geld brauche ich hier nicht, das zahl ich auf mein Postsparkassenbuch ein. Morgen werde ich wohl einen Brief vom Vatel erhalten. Dann schreib ich Euch wieder. Seid herzlichst gegrüßt und geküßt von Eurem Herbert.

  5. Die Anrede Muttel und Vatel deutet auf Schlesien. In Breslau gibt es einen Südpark.