— Das kurze Leben des Jean Becker —

*** UPDATE: Ein echter Experte, Dr. Immanuel Voigt, ist auf diesen Beitrag aufmerksam geworden und hat sagenhaft gute Recherche betrieben! Scrollt runter zum UPDATE!
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Dieses Foto lag unter den geerbten Fotos einer älteren Dame. Sie wusste nichts weiter über den Jungen. Aber hinten drauf stand “Jean Becker Krieg 14/18 gefallen”.
Er hatte so ein jungenhaftes Gesicht…

Ich hielt einen Vortrag in Grünstadt und projizierte dieses Bild. Ich meinte, das ist vielleicht das einzige Bild dieses Menschen, das es noch gibt. Solche Bilder sollen erhalten werden und Nimmerso will diese Bilder hochauflösend absichern und zugänglich machen.

Wenig später meldete sich ein Architekt bei mir. Er hatte meinen Vortrag gesehen und war sich recht sicher, dass Jean Becker der Onkel seiner Mutter war! Und tatsächlich, ich traf mich dann mit ihm und seiner Mutter, konnte weitere Fotos von früher ausleihen und einscannen. Darunter auch noch 2 weitere Jean-Bilder. Ich wusste jetzt sogar das genaue Haus, in dem Jean gewohnt hatte. In der Obergasse 58, Grünstadt. Jean wollte Architekt werden (was sein Großneffe viele Jahre später werden würde). Jean hatte schon seinen Studienplatz bekommen – als der Krieg ausbrach.
Jean Becker starb, ich glaube bei Verdun.

Die Nichte von Jean, zum Zeitpunkt unseres Treffens schon über 80, hatte ihren Onkel nie gekannt. Aber sie erinnerte sich, wie das Foto von Jean einen speziellen Platz im Vorzimmer des Hauses hatte und wie sie mit ihren Schwestern/Cousinen als Mädchen im Kreis um das Bild getanzt sind.
Im 2. Weltkrieg traf eine Fliegerbombe diesen Vorbau.

Ich konnte auch beim Neffen von Jean Bilder ausleihen. Die Frau des Neffen hatte übrigens eine Sammlung von ihrem Vater geerbt, mit Bildern des Afrikafeldzugs. Dazu mal später.

Jetzt gibt es auf Nimmerso 4 Fotos von Jean, aus 3 verschiedenen Quellen!
Und wenn die App-Entwicklung nach Plan verläuft, dann können wir auf der Karte den Jean stehen sehen, an der Stelle wo er einst wohnte.

https://nimmer.so/Zo6m7

************ UPDATE ***********
“Jean” Becker diente der bayerischen Armee, als Pionier. Das erkennt man an den schwarzen Schulterklappen und auch anhand seiner Ausrüstung (Patronentaschen, Bajonett mit Sägerücken). Dass er in der bayerischen Armee diente, steht außer Zweifel, denn die große Kokarde (die untere) an seinem “Krätzchen” (Feldmütze) trugen in dieser Art nur die Bayern im Ersten Weltkrieg.

Johannes “Jean” Becker wurde am 26. August 1898 in Deidesheim als Sohn des Wendel Becker, einem Postschaffner, und der Apolonia Becker, geb. Bauer, geboren. Er erlente den Beruf des Bautechnikers und lebte dann in Grünstadt. Er war ledig und katholischer Konfession. Das Bild mit ihm am Zeichen-/Kartentisch dürfte demnach vor 1917 aufgenommen worden sein.

Was den Krieg betrifft, so wurde Johannes am 3. Januar 1917, als so genannter “ungedienter Landsturm” eingezogen, d.h. er hatte zuvor keinen Wehrdienst abgeleistet, weil er zu jung war. Bzgl. der Einheit kam er zum Ersatz-Bataillon des 2. bay. Pionier-Bataillons. Damit dürfte sich das erste Bild auf Ihrer Webseite, auf dem Johannes und ein Kamerad zu sehen sind, zeitlich auf Anfang 1917 datieren lassen. Denn, der andere Soldat trägt deutlich sichtbar eine “2” auf seiner schwarzen Schulterklappe. Bis in den Herbst 1917 blieb Johannes noch in der Heimat und wurde hier ausgebildet. Ich vermute, dass das Ersatz-Bataillon genau wie die Stammeinheit in Speyer in Garnison lag. Laut Stammrolle kam Johannes dann am 24. September 1917, also vor ziemlich genau 106 Jahren, zur Bayerischen Pionier-Kompanie 3 ins Feld. Ich nehme an, dass das Bild, welches ihn in voller Ausrüstung zeigt, eben aus dieser Zeit kurz vor seinem Ausmarsch stammt. Die angesprochene Einheit stand an der Westfront, vorwiegend in der Champage.

Johannes hat dann alle Gefechte der Einheit mitgemacht, bis er 1918, genauer gesagt seit dem 15. Juli nahe des schon 1915 vollständig zerstörten Dorfes Somme-Py (heute Sommepy-Tahure) vermisst wurde.

Unter dem Namen “Johann Becker”, findet man ihn dann auch in den Verlustlisten zunächst als “vermisst”, siehe hier: http://des.genealogy.net/search/show/7880904
Gut einen Monat später, am 19. August 1918, also wenige Tage vor seinem 20. Geburtstag, bergen deutsche Soldaten Johannes Becker nur noch tot aus einem “verschütteten Stollen an d. Straße Tahure-Pertes” und beerdigen ihn vor Ort. Sehr wahrscheinlich war er schon wenige Tage nach dem er als vermisst gemeldet wurde gestorben. Ebenso wahrscheinlich wurde Johannes wie so viele Männer durch starkes Artilleriefeuer getötet, dass seinen Unterstand/Stollen zum Einsturz brachte, ohne, dass ihn die eigenen Kameraden bergen konnten. Heute wird sein Grab wohl nicht mehr rekonstruierbar sein, da er ganz offensichtlich auf keinen der großen Soldatenfriedhöfe in der Nähe überführt wurde. In den Verlustlisten wird sein Tod erst im April 1919 bekannt gegeben: http://des.genealogy.net/search/show/7205312 Gerade in der heutigen Zeit sind solche Geschichten und ihre Gesichter wichtige Zeitzeugen, die die Sinnlosigkeit des Krieges mehr als vor Augen führen, vor allem wenn man solche jungen Männer sieht, die eigentlich noch Kinder waren und vom Leben kaum etwas gesehen haben! Danke daher für Ihre wichtige Arbeit!

Herzliche Grüße Dr. Immanuel Voigt

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25 Kommentare

  1. Sehr schöner Beitrag. Danke

  2. Eine sehr traurige Geschichte zu dem Bild.

  3. Hast du die Nichte mal auf die ältere Dame mit dem Foto angesprochen? Vielleicht kennen sich die beiden oder sind sogar entfernt verwandt.

  4. So eine traurige Geschichte. Faszinierend, dass der Neffe den gleichen beruflichen Wunsch hatte.

  5. Hach, ich wünschte du würdest Bilder meines Uropas und dessen Gasthauses finden

  6. Eure Berichte finde ich sehr interessant…

  7. Ich hasse Kriege. 💔 So ein sympathischer Junge.

  8. Ich bewundere jedesmal wieder, wie hier kleine Puzzleteile zusammen gefügt werden. Wenn auch meist solche, die sich niemand wünscht. 😕
    Ich betrachte viele Kleinigkeiten jetzt mit anderen Augen.
    Danke Nimmerso

  9. Auf dem Ehrenmal in Grünstadt sind nur Adam, Karl, Peter und Wilhelm Becker genannt, hatte Jean evtl. einen weiteren Vornamen?

  10. Es ist großartig, was Ihr hier macht!

  11. Mein Gott, so jung😢

  12. Rick Delarosa …schau mal…so etwas interessiert dich doch auch

  13. wohl beim Badischen Pionier-Bataillon 14

  14. Mein Sohn heißt Jean ♡

  15. Wow ! Der absolute Wahnsinn. Danke für diesen Beitrag

  16. Ruhe in Frieden junger Mann.

  17. Der 20 jährige Bruder meines Uropas starb ebenfalls bei verdun. Dort gibt es bis heute noch sein Grab . Dieses ist in Vergessenheit geraten . Ich habe es letztes Jahr durch recherche entdeckt . Daher meine Frage : wo wurde er begraben . Vielleicht existiert dies ebenfalls

  18. https://youtu.be/lFpmFEtTXLo?si=2Yg_7RnHME-x1ZLx

    Das kam mir als erstes in den Sinn als ich das Foto und die Geschichte dazu gesehen habe

  19. Ein trauriges Update….aber erstaunlich, was über ihn in Erfahrung gebracht werden konnte.

  20. Bravo!! Gute Arbeit! Sehr anrührend! Danke! Michael